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Forschungssteckbrief: Geowissenschaften

El'gygytgyn: Entdeckung eines einzigartigen Klimaarchivs in der Arktis

Titel:

El'gygytgyn Drilling Project

Projektlaufzeit:

2005 - 2011

Schlagworte:

Klimawandel / Arktis / Pliozän / Klimaforschung / Eiszeit

Fachgebiete und Arbeitsrichtung:

Geowissenschaften

Forschungsanliegen in einem Satz

Die durch Tiefbohrungen im sibirischen Elgygytgynsee gewonnenen Sedimente versprechen erstmals lückenlos darüber Auskunft zu geben, wie die kontinentale Arktis auf Klimaänderungen währen der vergangenen 3,6 Mio. Jahre reagiert hat und welche Veränderungen sie in der Zukunft erfahren wird.


Hintergrund

Der im äußersten Nordosten Sibiriens liegende Elgygytgynsee bildete sich vor 3,6 Mio. Jahren durch einen Meteoriteneinschlag. Obgleich man durch Untersuchungen des Gesteins bereits 1978 das Alter des Kraters bestimmen konnte, entdeckte erst die Russin Olga Glushkova 1994 im Rahmen von Kartierungsarbeiten den wissenschaftlichen Wert des Sees. Sie stellte fest, dass der Elgygytgynsee, anders als weite Teile Europas und Nordamerikas, während der Eiszeiten des Quartärs nicht von kontinentalen Eismassen überfallen worden ist. Am Grund des Sees könnten sich somit lückenlos und ungestört seit 3,6 Mio. Jahren Sedimente ablagern, die ein einzigartiges Archiv der Klima- und Umweltgeschichte in der Arktis darstellen.

Die Einbeziehung amerikanischer und insbesondere auch deutscher Wissenschaftler verschiedener Disziplinen führte 1998 zu einer ersten Bohrkampagne am See und spektakulären Entdeckungen: Der 13m lange Bohrkern PG1351, bis dahin längster Seesedimentkern aus der Arktis, entpuppte sich als 250.000 Jahre altes Klimaarchiv und geht somit um doppelt so viel Zeit zurück wie der längste Eiskern aus Grönland. Man konnte weiterhin feststellen, dass der Elgygytgynsee in dieser Zeit weder vergletschert noch ausgetrocknet war – nicht nur für Geologen eine wahre Fundgrube.

Anhand von seismischen Untersuchungen, die in den Jahren 2000 und 2003 durchgeführt wurden, konnte man beweisen, dass der Aufsehen erregende Bohrkern PG1351 nur die Spitze des Eisbergs darstellte: Mehrere 100m darunter liegender Sedimentschichten konnten lokalisiert werden. Die insgesamt 315 m dicke Sedimentabfolge im Elgygytgynsee wurde Anfang 2009 im Rahmen eines internationalen Tiefbohrprojektes erschlossen. Dazu wurde eine Bohrplattform auf Kufen von der geschlossenen Seeeisdecke eingesetzt, die bis auf mehr als 2 m Dicke durch aufgepumptes Seewasser verstärkt wurde, um die mehr als 100 Tonnen schwere Bohrtechnik zu tragen.

Ziele

Seit Herbst 2009 werden die Bohrkerne aus dem Elgygytgynsee an der Universität zu Köln geöffnet, dokumentiert und für komplexe geowissenschaftliche Untersuchungen an nationalen und internationalen Speziallaboren beprobt. Ziel der Analysen ist es, erstmals umfassend zu verstehen, wie sich das Klima in der Arktis seit der Warmphase des Pliozäns (vor mehr als 2.6 Mill. Jahren) entwickelt hat und welche Umweltveränderungen mit den Klimaschwankungen verbunden waren. Die Ergebnisse versprechen wesentliche Erkenntnisse darüber, wie die Arktis auf die vergangenen globalen Veränderungen reagiert hat und - umgekehrt - welche Veränderungen in der Arktis das globale Klimageschehen beeinflusst haben. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Bedingungen in der Arktis während des Pliozäns und während besonders ausgeprägter Warmzeiten des Quartärs. Diese Zeiten könnten Modellfälle für die zukünftigen Bedingungen darstellen, da sich die Arktis nach aktuellen Klimamodellen bis zum Ende des Jahrhunderts mit etwa 10 Grad Celsius deutlich stärker erwärmen wird als der Rest der Erde.

Antragsteller + Kooperationspartner

Professor Dr. Hinzen, Institut für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln

Publikationen

  • Melles M., Brigham-Grette J., Minyuk P., Koeberl C., Andreev A., Cook, T., Fedorov G., Gebhardt C., Haltia-Hovi E., Kukkonen M., Nowaczyk N., Schwamborn G., Wennrich V. & El´gygytgyn Scientific Party (subm.): The El´gygytgyn Scientific Drilling Project – conquering Arctic challenges in continental drilling. - Scientific Drilling, March 2011 issue.
  • Brigham-Grette J., Melles M., Minyuk P. & Koeberl C. (2010): The Thrill to drill in the chill – probing one of Earth´s best preserved impact craters to learn secrets of Arctic change. - Earth Magazine, July 2010: 48-55
  • Swann G.E.A., Leng M.J., Juschus O., Melles M., Brigham-Grette J. & Sloane H.J. (2010): A combined oxygen and silicon diatom isotope record of Late Quaternary change in Lake El'gygytgyn, North East Siberia. - Quaternary Science Reviews, 29: 774-786.
  • Juschus O., Melles M., Gebhardt A.C. & Niessen F. (2009): Late Quaternary mass movement events in Lake El´gygytgyn, NE Siberia. - Sedimentology, 56: 2155-2174.
  • Koeberl C., Brigham-Grette J., Melles M. & Minyuk P. (2009): Drilling into the El'gygytgyn impact crater, arctic Russia: The 2009 ICDP project. - Meteoritics & Planetary Science, 44: A112-A112.
  • Schwamborn G., Fedorov G., Schirrmeister L., Meyer H. & Hubberten H.-W. (2008): Periglacial sediment variations controlled by Late Quaternary climate and lake level change at Elgygytgyn Crater, Arctic Siberia. - Boreas, 37: 55-65.
  • Vogel H., Rosén P., Wagner B., Melles M. & Persson P. (2008): Fourier Transform Infrared Spectroscopy as a new cost-effective tool for quantitative analysis of biogeochemical properties in long sedimentary records. - Journal of Paleolimnology, 40: 689-702.
  • Brigham-Grette J., Melles M., Minyuk P. & Scientific Party (2007): Overview and significance of a 250 ka paleoclimate record from El´gygytgyn Crater Lake, NE Russia. - Journal of Paleolimnology, 37: 1-16.
  • Melles M., Brigham-Grette J., Glushkova O.Y., Minyuk P.S., Nowaczyk N.R. & Hubberten H.W. (2007): Sedimentary geochemistry of core PG1351 from Lake El'gygytgyn - a sensitive record of climate variability in the East Siberian Arctic during the past three glacial-interglacial cycles. - Journal of Paleolimnology, 37: 89-104.