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In der Stadt der guten Lüfte lehren

Es war mehr eine intuitive Entscheidung. Als ich beschloss, dass ich an einer ausländischen Schule außerhalb Deutschlands unterrichten wollte, wusste ich sofort, dass ich nach Buenos Aires gehen würde. Argentinien, was wusste ich denn über Argentinien? Was trieb mich dorthin? Wie wird mich Argentinien empfangen?  Wie funktioniert eine deutsche Schule im Ausland? Welche Erfahrungen kann ich mit nach Deutschland nehmen, um in Zukunft ein besserer Lehrer zu sein? 

Storytelling von Luca Balzer, Lehramtsstudent der Uni Köln



Foto: Luca Balzer

Viele Fragen geisterten durch meinen Kopf als ich im März 2015 mit der Fähre aus Montevideo kommend im Hafen von Buenos Aires einschipperte. Luft und Wellen hin oder her. Wie optimistisch und freiheitsliebend, eine Stadt „Gute Luft/Lüfte“ zu nennen. In der Hand ein großer Koffer voller Erwartungen und eine Adresse, die mich in den Norden der argentinischen Hauptstadt zu meiner Gastfamilie lotsen sollte. Angekommen auf einen fremden Kontinent und völlig erschöpft aktivierte ich die letzten Energiereserven, um das finale Teilziel meiner Ankunft zu erreichen. Im stammelnden Spanisch und gestenreichen Verweisen auf meinen Notizzettel zog ich unmittelbar die Hilfsbereitschaft eines argentinischen Einheimischen auf mich. Etwas erregt über mein tollkühnes Verhalten sich derartig beladen durch die gefährliche Zone der berühmt berüchtigten Villa 31 zu bewegen, nahm der Porteño mich direkt unter seine Obhut. Er geleitete mich zum alten Busbahnhof Retiro, wies mir die Richtung meines Zuges und informierte meine Gastfamilie telefonisch, dass meine Ankunft unmittelbar bevorstände. Immerhin wusste ich im Vorfeld, dass ich nach Ballester in die nördliche Vorstadt zu fahren hatte. Ballester war zugleich der Standort meiner Praktikumsschule dem „Instituto Ballester“.

 

Auslandsmobilität unter Lehramtsstudierenden fördern

Erfahrungen wie die von Luca machten seit 2013 mehr als 200 Studierende der Universität zu Köln während ihres Aufenthalts im Programm internships@schoolsabroad. Als das Praktikumsprojekt internships@schoolsabroad 2013 auf Initiative des International Office in Kooperation und des Zentrums für LehrerInnenbildung (ZfL) erstmals an den Start ging, konnte noch niemand ahnen, welche Bedeutung es für die Internationalisierung der Kölner Universität erlangen würde, berichtet Katrin Kaiser begeistert, die das Projekt im International Office betreut. Das Netzwerk war die Antwort auf die Analyse des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zur Auslandsmobilität. Diese hatte verdeutlicht, dass nur etwa ein Viertel der Lehramtsstudierenden an Hochschulen in Deutschland einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt vorweisen konnte. Das nun bereits im vierten Jahr laufende Programm bietet die Antwort auf die Frage, wie Lehramtsstudierende einen Auslandsaufenthalt gewinnbringend umsetzen können. Positive Rückmeldungen von Auslandsschulen und Studierenden lassen auch weiterhin eine erfolgreiche Entwicklung der Internationalisierung der Lehramtsausbildung an der Uni Köln erwarten. 

Katrin Kaiser

Es freut es mich sehr, dass wir mit internships@schoolsabroad ein Instrument geschaffen haben, Kölner Studierenden strukturelle Rahmenbedingungen anbieten zu können, mit deren Hilfe sie ihren Weg an Schulen auf der ganzen Welt finden können 

Katrin Kaiser, International Office

Neugierde auf den Unbekannten

Am Instituto Ballester wurde ich am ersten Arbeitstag mit offenen Armen empfangen und von meiner Betreuungslehrerin in die alltägliche Normalität und die Besonderheit einer Deutschen Auslandsschule eingeführt. Das Kollegium empfing mich sehr gut vorbereitet und hat mich direkt integriert. Die SchülerInnen suchten neugierig den Kontakt zu dem Unbekannten. Die Jugendlichen am Instituto Ballester waren von mir als „Fremder“ fasziniert. Sie stellten endlose Fragen über mein Herkunftsland, die Musik, das Essen und die Art, wie wir denken. Die Kommunikation und die Verbindung zu ihnen haben mich bereichert. Diese Möglichkeit, mit ausländischen Kindern auf diese Art und Weise zu interagieren, ist eine einmalige Erfahrung, von der beide Seiten - LehrerInnen und SchülerInnen - enorm profitieren können. Die Atmosphäre in den Klassenzimmern durch die fast freundschaftliche Schüler-Lehrer-Beziehung bei der Lehrender und Lernender sich dennoch respektvoll auf Augenhöhe begegnen, hat mich nachhaltig beeindruckt.

 

 

Der Blick über den Tellerrand

Als Leiter der AG Internationalisierung am ZfL fühlt sich Dr. Jan Springob mit dem Projekt nicht zuletzt auch persönlich verbunden und ermutigt, dieses weiter auszubauen: „Sowohl mein Jahr einer High-School in den USA sowie meine Zeit als Fremdsprachenassistent an einer Schule in Birmingham liegen nun schon einige Jahre zurück und gehören doch zu den prägendsten Erfahrungen meines Lebens, vor allem in Bezug auf meine Lehrtätigkeit in Schule und Universität. Als LehrerInnen unterrichten wir eine ausgesprochen bunte SchülerInnenschaft. Der Blick über den Tellerrand der eigenen (Schul)welt und vermeintlichen „-wirklichkeit“ erweitert den Horizont ungemein und lässt uns Dinge hinterfragen, die wir als selbstverständlich wahrnehmen. Die an Schulen im Ausland gesammelten Erfahrungen werden mannigfaltig sein; ihre eigene LehrerInnenpersönlichkeit werden Sie noch einmal in einem ganz neuen Licht sehen.“

Foto: Luca Balzer
Foto: Luca Balzer

Stille SchülerInnen – ein Mythos

Nach einer Woche Hospitation durfte ich bereits den Deutschunterricht übernehmen. Die SchülerInnen haben mich als Lehrperson sehr schnell akzeptiert. Durch meine eigenen Stunden als auch durch die Hospitationsstunden konnte ich beobachten, dass die Unterrichtsatmosphäre in erster Linie von den Lehrfähigkeiten des Pädagogen abhängt. Die auch in Deutschland verbreitete Vorstellung von immer stillen und arbeitsbereiten SchülerInnen halte ich ohnehin für einen fehlleitenden Mythos. Insbesondere in Argentinien ist mir bewusstgeworden, dass in den Klassenräumen in erster Linie Jugendliche und Kinder sitzen, die gerne spielen, gerne laut sind und sehr viel reden wollen. Jeder Lehrer und jede Lehrerin sollte damit umgehen können. 

„Ich bin sehr glücklich und dankbar darüber, diese intensive Auslandserfahrung gemacht zu haben. Dieses kurze Kapitel in der Stadt der guten Lüfte hat mich persönlich sehr bereichert und zu neuen Ufern des Denkens gebracht. Ich kann anderen Kölner Lehramtsstudierenden sehr ans Herz legen, sich für das internships@schoolsabroad Programm (Link) zu bewerben. Als Reisender wird man nicht nur in einem unglaublich interessanten Land leben, sondern wird auch vielen freundlichen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Geschichten begegnen.“