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Foto: CC BY-SA 3.0 / Breogan67

Quantenphysik und Wellenreiten

Vom Kölner Nachwuchsphysiker zum Professor

 



Ein Interview mit Professor Micklitz, Professor für Physik am Brazilian Center for Research in Physics in Rio de Janeiro. Das Interview führte Martina Markus.



Sie haben an der Universität zu Köln Physik studiert und promoviert. Inzwischen leben Sie mit Ihrer Familie in Rio de Janeiro und forschen am CBPF.

Stimmt! Nach meiner Promotion in Köln bin ich für zwei Jahre als postdoc ans Argonne National Laboratory gegangen, und von dort als wiss. Assistent an die FU Berlin. Nach ungefähr drei Jahren Berlin fanden wir, dass es an der Zeit sei eine permanente Stelle zu finden, und so hat es meine Familie und mich also nach einem "Umweg" über Chicago und Berlin nach Rio verschlagen.



War das Physikstudium Ihr Traumstudium? Warum an der Uni Köln?
Tobias Micklitz vor dem Forschungsinstitut. Foto: Privat

Nicht direkt. Obwohl mir Mathematik immer sehr viel Spass gemacht hat, habe ich wie gesagt zuerst RWL studiert. Die Vielseitigkeit des Studiengangs fand ich anfangs sehr reizvoll, bin dann aber über die VWL zur Mathematik und Physik gekommen. Mein Auslandssemester an der UFC war wohl mit ein Auslöser für den Studienwechsel. Dort hatte ich Freunde die begeistert Mathematik und Physik studiert haben, und ich fand es sehr hilfreich einmal in einem neuen Umfeld meine Interessen und bisherigen Studiumsverlauf zu reflektieren. Nach meiner Rückkehr nach Köln habe ich mich entschlossen ein Semester in die Mathematik und Physik zu schnuppern, und eigentlich war dann recht schnell klar, dass dies mein Traumstudium ist...



War Brasilien für Sie ein Sehnsuchtsort? Was hat Sie an Brasilien gereizt?

Als Kind und Jugendlicher sicherlich. Die Aufenthalte in Rio waren aufregend, und wenn immer möglich war ich am Meer surfen. Mit der Zeit hat man dann natürlich auch die problematischen Seiten der Stadt und die damit verbundenen Einschränkungen wahrgenommen. Durch die vielen guten Erinnerungen ist Rio für mich aber immer ein sehr spezieller Ort geblieben. Während meiner Promotion habe ich meine Frau kennengelernt, deren Familie aus Rio kommt, und so ist inzwischen die familiäre Komponente hinzugekommen.

 

 



Rio de Janeiro gilt als wunderschöne Stadt, lebensfroh und sinnlich - wie würden Sie die Atmosphäre und das Lebensgefühl dort beschreiben?

Das ist keine einfache Frage, da es in Rio unterschiedliche Realitäten gibt. Mich beeindruckt noch immer die Kombination von Meer, Bergen und Wald, und wenn man das Privileg hat, in der Zona-Sul zu leben ist der Alltag vom Strand und den damit verbunden Klischees beeinflusst. 

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  • Strand in der Nähe Rios. Foto: M. Markus
  • In den Strassen von Rio. Foto: M. Markus

Trotz des Charmes und der Schönheit gibt es auch die dunklen Seiten von Rio, spürt man am CBPF oder im Alltag irgendwelche Einschränkungen wegen der Kriminalität?

Unser Alltag zwischen Wohnung, Kindergarten, Arbeit meiner Frau, CBPF, und Meer spielt sich in einem Radius von wenigen Kilometern in sehr ruhigen Stadt-Vierteln ab. Unsere alltäglichen Einschränkungen sind also gering, wir fahren z.B. spät abends nicht mehr mit dem Bus, etc. Wenn man in anderen Stadtteilen wohnt und täglich mehrere Stunden zur Arbeit pendeln muss sieht das sicherlich anders aus.



Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt? Gibt es Kooperationen mit der Uni Köln?

Das Gebäude der Theoretischen Physik an der Uni Köln. Foto: Rainer Mader

Mein Forschungsgebiet ist die theoretische Festkörperphysik. Im Moment interessiere ich mich für die Frage unter welchen Umständen gut isolierte Quantensysteme ein thermisches Gleichgewicht erlangen. Die statistische Physik, wie man sie im Studium lernt, geht davon aus, dass Wechselwirkungen zwischen Teilchen immer zu einem Zustand des thermischen Gleichgewichts führt. Überraschenderweise, hat sich jedoch herausgestellt, dass dies nicht immer der Fall sein muss, und die Anwesenheit von Unordnung das Erlangen eines solchen Gleichgewicht-Zustands verhindern kann. Entscheidend für dieses Phänomen ist die Wellennatur quantenmechanischer Teilchen, und in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Uni-Köln untersuchen wir gerade Bedingungen und Konsequenzen der "Vielteilchen-Lokalisierung".



Gibt es kulturelle Unterschiede in der Forschung, die Sie vielleicht überrascht haben?

Auf die Gefahr hin jetzt zu verallgemeinern, muss ich diese Frage doch mit `ja´ beantworten. Ich würde sagen, dass die brasilianische Gesellschaft die Tendenz hat Konflikte eher zu vermeiden als auszutragen, was bei dem sozialen Sprengstoff der in einigen Städten vorhanden ist wohl auch anders nicht geht. Das spiegelt sich meines Empfindens nach auch in verschiedenen Facetten des wissenschaftlichen Alltags wider, z.B. in Verteidigungen, wissenschaftlichen Diskussionen, etc. Während ich diese Tendenz im Alltag sehr schätze, vermisse ich in der Wissenschaft manchmal eine gewisse Streitfreudigkeit die doch ganz förderlich sein kann. 

Foto: lazylama/Fotolia.com


Das CBPF liegt nicht weit von den berühmten Stränden an der Copacabana und Ipanema. Wie sieht der Forschungsalltag in Rio aus? Haben Sie genug Zeit zum surfen?

Leider zu wenig! Aber das liegt im Moment wohl auch an unserem kleinen Sohn, ich hoffe dass er bald schwimmen lernt… Mein Forschungsalltag unterscheidet sich nicht so sehr von dem in Berlin. Das CBPF ist vielleicht vergleichbar mit einem Max-Planck Institut in Deutschland. Neben der Forschung betreuen wir Master- und Doktor-Studenten, und es werden Fortgeschrittenen-Vorlesungen und Seminare angeboten. Die Professoren am CBPF sind zwar nicht verpflichtet am Lehrbetrieb teilzunehmen, mir hat das Unterrichten aber immer Spass gemacht und so versuche ich mich dort auch sinnvoll einzubringen. Allerdings schaue ich doch täglich nach den Wellen und falls sie sehr gut sind versuche ich es einzurichten kurz ins Wasser springen.



Haben Sie Tipps für junge Studierende, die gerne im Ausland forschen möchten?

Meine Erfahrung verallgemeinernd würde ich Studierenden, die an ihrem Studiengang zweifeln ein Auslandssemester empfehlen, der Wechsel des Umfeldes ist m.E. sehr hilfreich. Generell würde ich den vielleicht offensichtlichen Tipp geben, bei der Orts-Wahl immer die Forschung und das akademische Umfeld in den Vordergrund zu stellen und sich nicht von Stadt oder Land beeindrucken zu lassen.

Vielen Dank für das nette Gespräch, Herr Professor Micklitz.