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Generation Promotion?

Immer mehr Menschen promovieren. Ihre Chancen sind alles andere als gleich

Foto: Fabian Stürtz

Jahre der Entbehrung und der Selbstzweifel, dann der späte Einstieg ins Berufsleben und das Risiko, keinen der begehrten Jobs in der Wissenschaft zu ergattern. Ohne Zweifel ist die Promotion ein risikoreiches Unterfangen. Dennoch steigt in Deutschland die Zahl der Promovierenden. Ist ihre Situation wirklich so düster? 

Promovierende sind nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In der Medizin werden ganz andere Ansprüche an eine Promotion gestellt als in den Geisteswissenschaften. Die Möglichkeiten einer promovierten Chemikerin sind ganz andere als die eines promovierten Sozialwissenschaftlers.

Dennoch teilen Promovierende in dieser Lebensphase viele gemeinsame Erfahrungen und Schwierigkeiten. Worin sie genau bestehen, lässt sich jedoch bestenfalls erahnen, da Promovenden bisher noch nicht als eigenständige Gruppe statistisch erfasst werden. Informationen erhält die Hochschule erst, wenn der Doktorand oder die Doktorandin das Promotionsverfahren erfolgreich abschließt. Viele deutsche Universitäten haben die Notwendigkeit der Erfassung von Promovierenden in der Zwischenzeit erkannt. 

In Köln arbeitet das Albertus Magnus Graduate Center (AMCG), die zentrale Graduierteneinrichtung der Uni, gemeinsam mit den Fakultäten und der Verwaltung an einem solchen Erfassungssystem. 

Repräsentanz schaffen 

An der Uni Köln gibt es für jede Fakultät zwei Vertreter, die sich für die Belange der Promovierenden einsetzen. Je nach Fakultät sind dabei ihre Aufgaben mehr oder weniger fest definiert. Sie fungieren als Ansprechpartner, kommunizieren die Belange der Promovierenden gegenüber der Fakultät und nehmen an den Beratungsrunden des AMGC teil. 

Holger Reinermann, einer der Promovierendenvertreter der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, befasst sich in seiner Dissertation im Graduiertenkolleg SOCLIFE mit Fragen des Wahlverhaltens. Ihn hat erstaunt, dass es bisher noch keine Strukturen zur Erfassung der Promovierenden gibt. „Wenn sich das ändert, wird diese Gruppe auch wesentlich sichtbarer“, sagt der Politikwissenschaftler. Auch die Wahl der Vertreter würde dadurch erleichtert. „Wir sind alle auf sehr unterschiedlichen Wegen in unser Amt gekommen. Da müssen wir bessere Wahlverfahren und Kommunikationskanäle schaffen, die alle beteiligen.“ 

Luzia Goldmann, die die Promovierenden der Philosophischen Fakultät vertritt und im Integrated Track der a.r.t.e.s. Graduate School promoviert, sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf. „Die Mitglieder der Graduiertenschule haben mich als ihre Vertreterin gewählt. Da sind die Leute bekannt, sichtbar und zugänglich. Viele andere Promovierende an der Philosophischen Fakultät wussten womöglich gar nicht, dass eine Wahl stattfindet.“ Goldmann schreibt eine literaturwissenschaftliche Dissertation über die historische Entwicklung von Metaphern und hat vorher bereits als Promovierendensprecherin der Graduiertenschule fungiert. 

Aufgaben definieren

Probleme im Betreuungsverhältnis gehören sicherlich zu den größten Schwierigkeiten, mit denen Doktoranden im Laufe der Promotion konfrontiert sind. Das kann für beide Seiten eine Belastung sein. In solchen Fällen zu vermitteln gehört zu den Aufgaben, die a.r.t.e.s. für die Vertreter und Vertreterinnen der Philosophischen Fakultät definiert hat. Grundsätzlich hält Goldmann es für sinnvoll, das Betreuungsverhältnis so berechenbar wie möglich zu gestalten. 

In der Praxis wurden Goldmann und Reinermann bisher jedoch noch nicht mit persönlichen Anliegen konfrontiert: „Viele wissen gar nicht, dass es für sie mit den Promovierendenvertretern jemanden gibt, an den sie sich wenden können“, sagt Reinermann. Das möchte er in Zukunft durch klarere Strukturen ändern. „An einer großen Universität ist das umso wichtiger, da sich neue Entwicklungen nicht automatisch herumsprechen.“ 


Promovieren oder nicht? Eine schwierige Entscheidung

Sowohl bei Luzia Goldmann als auch bei Holger Reinermann hat sich die persönliche Entscheidung zur Promotion eher langsam herauskristallisiert. Goldmann ging von dem Thema aus, das sie faszinierte: „Es war einfach zu groß für eine Masterarbeit. Ich wusste, das kann ich nur in einer Dissertation bearbeiten.“ Dabei sieht sie auch deutlich die Risiken einer Promotion in den Literaturwissenschaften. „Die Nischen sind so klein, dass man sie sehr genau anpeilen muss. Und man braucht einen Plan B.“ Zudem sollte jeder bedenken, dass mit der Entscheidung für eine Promotion nicht nur Türen auf, sondern auch zugehen, meint Goldmann. „Die wenigsten sind sich dessen bewusst.“ 

Reinermann entwickelte während seines Studiums den Wunsch, wissenschaftlich weiterzuarbeiten. Damals riet ihm ein anderer Doktorand, nicht bloß zu promovieren, weil ihm sonst nichts Besseres einfiel. „Das war ein sehr wichtiger Rat, den viele nicht bekommen“, denkt er heute. Reinermann wünscht sich mehr Karriereberatung bereits während der Promotionsphase. Wenn sich herausstellt, dass es doch nicht klappt mit der wissenschaftlichen Karriere, sind die meisten Promovierten schon in einer fortgeschrittenen Lebensphase. Das kann die berufliche Neuorientierung erschweren. 

Optionen erkennen

Viele, die heute promovieren, haben gar nicht mehr unbedingt eine wissenschaftliche Laufbahn vor Augen. Je nach Fach erhöht der Doktorgrad die Berufschancen auch in anderen Bereichen. In manchen Fächern ist das seit jeher der Fall, doch auch für Geistes- und Sozialwissenschaftler haben sich in den vergangenen Jahren im Wissenschaftsmanagement oder bei Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen neue Berufsfelder aufgetan. Das AMGC bietet in seinem Qualifizierungsprogramm einen Überblick über die Bandbreite der professionellen Möglichkeiten. Je nach Fach und Promotionsmodell bestehen auch beträchtliche Unterschiede zwischen den Wegen zum Doktortitel. 

Eine Vereinheitlichung dieser Promotionswege ist weder möglich noch erstrebenswert, doch Goldmann und Reinermann sind sich einig, dass klarere Strukturen und Rahmenbedingungen allen zugute kommen würden. Beide sind Stipendiaten in strukturierten Graduiertenprogrammen. Das bietet viel Zeit für Forschung, ein anregendes Umfeld und einen zügigen Abschluss. Nicht jeder promoviert unter solchen Bedingungen und es ist auch nicht für jeden das optimale Modell. Dennoch: „Wir sollten versuchen, die Privilegien besser zu streuen“, sagt Goldmann. 

Gut beraten

Was brauchen Doktoranden, um erfolgreich zu promovieren? In erster Linie gute Beratung und Betreuung – von der Entscheidung für die Promotion bis zur Verteidigung. Dann wächst die Belastung in dieser Lebensphase, die sich oft über viele Jahre hinzieht, nicht ins Unerträgliche. Schließlich sollte trotz aller Schwierigkeiten die Freude an der Wissenschaft nicht verlorengehen.