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Orientierung und Reflexion: Eine Dialogwerkstatt

Projektverantwortlich

Prof. Dr. Wolfgang Leidhold (WISO)

Projektlaufzeit

10/2015 bis 09/2016 (2 Semester)

Kurzbeschreibung des Projektes

„Was meint Gutes Leben?“, „Was ist Freiheit?“ - Ziel des Projekts ist die Auseinandersetzung mit zentralen Grundbegriffen, Fragestellungen und Konzepten der Moderne. Die zu behandelnden Themen - „Erfahrung“, „Gutes Leben“, „Gerechtigkeit“, „Freundschaft“, „Kreativität“, „Freiheit“, „Zeit“ - entstammen einer Umfrage unter 250 Studierenden der Universität zu Köln. Damit knüpft das Vorhaben an konkret vorhandene Interessen seitens der Studierenden an und lädt zur eigenen Reflexion ein. 

„Lernen durch Verstehen“ ist das durchgängige Prinzip: Jedem Thema wenden wir uns vier Wochen lang zu. Das Seminar wechselt dabei zwischen Input-Dialogen und Lektürekursen. 

Innovative Impulse liefert das Projekt in zweifacher Hinsicht: 

  1. Thematisch innovativ ist die Möglichkeit, fakultätsübergreifend und interkulturell grundlegende Fragen zu diskutieren.
  2. Didaktische Innovation: Die Studierenden sind im Sinne eines „Bottom-Up-Ansatzes“ an der Inhaltskonzeption der Veranstaltung beteiligt. Ihre Interessen stehen im Mittelpunkt des Konzepts. Während der Veranstaltung steht das „Primat der Frage“ und damit die Förderung der Interaktion der Studierenden untereinander sowie mit der Seminarleitung und den Gästen im Vordergrund.

Die „Bottom-Up-Ausrichtung“ findet sich auch in der Auswahl der Lehrpersonen wieder, denn für Konzeption, Leitung und Betreuung ist pro Semester je ein(e) Nachwuchswissenschaftler/In (Doktorand/In) verantwortlich. Diese erhalten die Möglichkeit, als innovative Gestalter eine Hauptveranstaltung zu organisieren und konkrete Lehrerfahrungen zu sammeln: Ein in Analogie zum Lehramtswesen „kleines Referendariat“, das den etablierten universitären Betrieb bereichert.

Gastvorträge und sich daran anschließende Diskussionen bereichern die Veranstaltung zudem durch das Mitwirken ausgewählter Experten.

Durch die Ansiedelung des Projekts im „Studium Integrale“ steht die Teilnahme Studierenden aller Fakultäten offen; dabei besteht in jedem Semester die Möglichkeit, 3 ECTS-Punkte zu erwerben. 

Projektfortschritt

Sommersemester 2016

  • Was ist Kreativität? Was ist Freiheit? Was ist Zeit?
    Den eigenen Erfahrungen und Ideen wird Raum gegeben. Im Dialog und bei der Lektüre tauchen sicherlich neue Fragen auf:  Wie kann ich kreativ sein? Wie verteidige ich meine Freiheit? Wie kann ich mein Leben entschleunigen?
  • Internationalisierung:
    Internationale Gäste aus den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz stehen mit den Teilnehmenden als Experten im Dialog.
    Sprachpraxis können Studierende erwerben, die das bilinguale Angebot wahrnehmen: Neben zwei deutschen Lektürekursen gibt es einen englischen und einen französischen Lektürekurs.
  • Innovative Methoden:
    Das Abstimmungstool „votepoint“ setzen wir ein, sodass Studierende in Echtzeit an Blitzumfragen teilnehmen können.

Die kreative Gestaltung von Prüfungsleistungen ermutigt Studierende zum eigenen Denken, zur selbständigen Reflexion.

Ein Logbuch mit sämtlichen Materialien erhalten Teilnehmende zu Beginn und dokumentieren darin den eigenen Weg zur Orientierung.

Das Zentrum für Hochschuldidaktik berät uns bei der didaktischen Umsetzung, Dialog und Austausch stehen im Zentrum.

Wintersemester 2015/2016

Im Wintersemester 2015/2016 widmete sich das Seminar - nach einer Einführungssitzung zum Thema „Erfahrung“ - verschiedenen zentralen Brennpunkten moderner Diskussionen. Dabei standen die folgenden gesellschaftsrelevanten Fragen im Fokus der Bearbeitung:

Was meint Gutes Leben? Was ist Gerechtigkeit? Was bedeutet Freundschaft?

Innovative Methoden

Um den didaktischen Innovationen des Projekts auch mit Blick auf die Unterrichtsmethodik Rechnung tragen zu können, entschied sich die Seminarleitung für eine während der einzelnen Veranstaltungen des Semesters praktizierte Methodenvariation; diese orientierte sich einerseits am Fundus innovativer Lehrgestaltungsempfehlungen des Zentrums für Hochschuldidaktik der Uni Köln, andererseits strebte die Seminarleitung die Entwicklung einer neuen, eigenen Lehrstilnote an.

Durch Aktivierungsfragen in Fragebogenform wurden die Studierenden beispielsweise dazu eingeladen, in Einzelarbeit selbstreflektorisch ihre alltäglichen Verständnisweisen zu den jeweiligen Themenfeldern schriftlich zu bestimmen. Die Auswertung dieser Sichtweisen, die jeweils eine Woche vor Behandlung eines neuen Themenblocks eingeholt wurden, diente der Seminarleitung als Bezugspunkt für ein durch sie gehaltenes Impuls-Referat zu Beginn der jeweils ersten Input-Sitzung eines Themas. Darin wurde die selbstreflektierte Erfahrungsrealität der Studierenden aufgegriffen und durch wissenschaftliche Ansätze maßgeblicher Autoren der Antike, des Mittelalters und der Moderne theoretisch fundiert: „Alltag meets Ideengeschichte“. 

Orientierung und ReflexionDieses so erhaltene erste Orientierungsfundament ermöglichte es, sich in der Folgezeit mit einigen ausgewählten Autoren verschiedener Epochen und Wissenschaftsdisziplinen themenspezifisch ausführlicher und kritisch auseinanderzusetzen. 

Insgesamt wurde dabei zu jedem Thema ein nachvollziehbarer Bogen von Sichtweisen der griechischen Antike bis zu zeitaktuellen Perspektiven erarbeitet, der den Studierenden schließlich eine Art Basisorientierung im jeweiligen Feld generierte. 

„Orientierung“ und „Reflexion“ - diese beiden im Projekttitel bestimmten Ziele standen jeweils im Fokus der beiden Input-Sitzungen zu den jeweiligen Themen: Sie bildeten die unentbehrliche Basis, um in einen fundierten „Dialog“ (dritter Begriff im Projekttitel) über die Themen eintreten zu können. 

Dialog
Dieser Dialog wurde mehrfach bereits in den Input-Sitzungen durch gemeinsame Erörterungen im Plenum eingeleitet, um dann in den jeweils in der Folgewoche stattfindenden Lektürekursen wieder aufgenommen, fortführend strukturiert und verfeinert zu werden.

Innerhalb dieses Prozesses haben sich die Lektürekurse, in denen die Studierenden mit dem Textanalyseverfahren des „Close Reading“ vertraut gemacht wurden, als äußerst fruchtbar herausgestellt: Hier wandte man sich zunächst einzeln sowie in Partner- und Kleingruppenarbeit Textauszügen zu, die teils auf Vorschlag der Studierenden selbst ausgewählt wurden; das Verständnis der zu behandelnden Passagen wurde durch ein sorgfältiges Lesen entlang ausgegebener, sich auf den Text beziehender Orientierungsfragen erreicht. 

Darauf aufbauend konnten die Lektürekurssitzungen - gemäß ihrem originären Ansinnen des Schaffens einer Diskussionsplattform - eine interaktive Verzahnung von „Dialog“ leisten: unter den Studierenden sowie zwischen den Studierenden und der Seminarleitung. Durch die Möglichkeit, sich auf wissenschaftlicher Basis mit gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen, wurde der eigene, selbständige Denkprozess der Studierenden gefördert und kultiviert. 

Hohe Zufriedenheit der Studierenden

Dass das Interesse der Studierenden an den Themen an sich sowie ihre Wertschätzung für die Ausgestaltung und Umsetzung der Veranstaltung durch die Seminarleitung bereits nach wenigen Wochen sehr hoch war, lässt sich am Ergebnis einer im qualitativen Verfahren durchgeführten Evaluation erkennen: Eine solche wurde nach Beendigung des ersten Themenblockes von der Seminarleitung durchgeführt und - auch zur „Ad-Hoc-Erfassung“ etwaiger Optimierungspotentiale - umgehend ausgewertet. 

Dem von Seiten der Studierenden geäußerten Optimierungswunsch bezüglich eines „Mehr an Zeit“ konnte die Seminarleitung durch das wiederholte Angebot der Ausdehnung der Veranstaltungszeit über die reguläre Sitzungszeit hinaus entsprechen. Auch bot die Seminarleitung an, sie jederzeit aufzusuchen, um im kleinen Kreis eine weitere Vertiefung des behandelten Stoffs durchzuführen. Beide Angebote wurden von den Studierenden über das Semester hinweg vielfach wahrgenommen. 

Ebenso kam es zum gemeinsamen Besuch von Kulturveranstaltungen, deren intellektueller Gehalt Einklang in die Diskussionen im Rahmen der Veranstaltung erhielt.

Schließlich war die wöchentliche Präsenz der angemeldeten Teilnehmer über das gesamte Semester hinweg durchweg sehr hoch. 

„Orientierungsleitfaden“ für Studierende

Ein weiterer Benefit konnte den Teilnehmern der Dialogwerkstatt durch das Aushändigen eines „Orientierungsleitfadens zur wissenschaftlichen Recherche“ erbracht werden. Dieser war das Ergebnis einer umfassenden Vorarbeit der am Projekt beteiligten Wissenschaftlichen Hilfskräfte, welche schließlich durch die Seminarleitung in eine den Studierenden übergebene Endfassung überführt wurde. Der Leitfaden enthält praktische Hinweise für die Identifikation zentraler Begriffe (z.B. im Rahmen der Anfertigung einer Hausarbeit), eine kurze Darstellung der Recherchemöglichkeiten in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln sowie Ratschläge für das Vorgehen bei der Suche in Nachschlagewerken. Zudem findet sich darin ein Überblick bezüglich zentraler Nachschlagewerke verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (u.a. „Philosophie“, „Politik“, „Religion“, „Soziologie“). Die einzelnen Nachschlagewerke sind zudem mit Kurzinformationen zu verschiedenen Stichworten versehen: „Ort/Signatur“ erleichtert z.B. das Auffinden auf dem Campus. 

Den sich vielfach in der Anfangsphase des Studiums befindenden Projektteilnehmer/Innen konnte so ein hilfreiches Basisinstrument zur wissenschaftlichen Arbeit mit auf den Weg gegeben werden.

Nutzen für den Nachwuchswissenschaftler

Aus Sicht des Doktoranden, der die Seminarleitung im WS 2015/16 inne hatte, hat sich auch der in der Projektidee formulierte Nutzen für den Promotionsstudenten selbst eingestellt: Durch die erhaltene Möglichkeit, eine universitäre Hauptveranstaltung inhaltlich und methodisch zu konzipieren, zu organisieren, zu leiten und zu betreuen, konnte sich der Doktorand ein eigenes Profil als innovativer Gestalter einer Lehrveranstaltung erarbeiten. 

Werthaltiger Input durch Experten

Die jeweils zweiten Input-Sitzungen zu einem Thema wurden schließlich durch Gastvorträge ausgewiesener Experten sowie sich daran anschließenden Diskussionen im Plenum gestaltet. 

„Gutes Leben“: Den Studierenden wurde u.a. der Kontakt zu einem Experten aus Wirtschaft und Politikberatung geebnet: Dr. Stefan Bergheim, erfahrener Volkswirt und Mitglied im wissenschaftlichen Expertenbeirat der Bundesregierungsinitiative „Bürgerdialog: Gut leben in Deutschland“, berichtete von seinem auf gesellschaftlichen Dialog setzenden Praxisversuch zum „Guten Leben“, dem Projekt „Schöne Aussichten“ seiner gemeinnützigen Denkfabrik „Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt“ in Frankfurt am Main. 

„Gerechtigkeit“: Mit Juniorprof. Dr. Dr. Jörg Tremmel (Politikwissenschaftler und Philosoph) wurde ein Wissenschaftler für die Teilnahme am Projekt gewonnen, der seine originelle, interdisziplinär ausgerichtete „Theorie der Generationengerechtigkeit“ vorstellte. Die Studierenden konnten so mit einem Denker der Gegenwart und einem hochaktuellen Themenfeld in Kontakt zu treten.

„Freundschaft“: Das Seminar begrüßte u.a. Prof. Dr. Vincenz Leuschner (Politischer Soziologe). In seinem Vortrag „Politische Freundschaften: Von Aristoteles bis in den Deutschen Bundestag“ verdeutlichte er die epochenübergreifende Aktualität des Themas, um schließlich die Ergebnisse seiner eigenen Arbeit, eine empirisch begründete Theorie „Politischer Freundschaft“ (Untersuchungsfeld: Deutscher Bundestag), vorzustellen. Auch hier erhielten die Studierenden die Möglichkeit, in einem wissenschaftlichen Kontext zu diskutieren.

Die Evaluation während des Semesters brachte bereits zum Ausdruck, dass die Studierenden diesen pro Thema zusätzlich durch die Experten generierten Input sehr wertschätzten.