zum Inhalt springen

Chancen und Krisen

 

Markenmanagement, Risiken und Nebenwirkungen

Welche Chancen hat ein Unternehmen mit Marken auf dem Markt?

Eine erfolgreiche Marke aufzubauen ist teuer. Und gleichzeitig Gold wert. Denn eine gut aufgestellte Marke ist oft der wertvollste immaterielle Vermögensgegenstand eines Unternehmens. Die Marke Coca-Cola ist dafür ein gutes Beispiel. In einem Test zeigte sich, dass Konsumenten den Konkurrenten Pepsi bevorzugen, solange sie nicht wissen, welche Marke sie vor sich haben. Sind die Marken bekannt, macht Coca-Cola das Rennen. Im unternehmerischen Idealfall wird die Marke für den Kunden zu einer Art Schlüsselinformation: Das Vertrauen in die Marke ist so hoch, dass der Kunde die Eigenschaften des Produkts gar nicht mehr prüft. Um das zu erreichen, verwenden Unternehmen viel Geld darauf, ihre Marken aufzubauen und zu pflegen.


Von Christine August


Andererseits kann eine Marke auch schnell Schaden nehmen. Schon ein Fehlgriff bei der Namensgebung für ein neues Produkt kann Kunden zurückschrecken lassen und Umsatzeinbußen zur Folge haben. Vom Spott ganz abgesehen: Ein Auto, das auf Finnisch Trottel heißt, ein anderes, dessen Name in Italien an Pechsträhnen erinnert – nicht die besten Voraussetzungen für einen guten Start auf dem Markt. Bei machen Produktarten ist es den Kunden wiederum herzlich egal, ob sie nun ein Markenprodukt kaufen oder nicht. Will ein Unternehmen unter diesen Voraussetzungen eine erfolgreiche Marke etablieren oder führen, baucht es genaue Informationen. Prof. Dr. Franziska Völckner befasst sich mit den dahinter stehenden Daten und Theorien. Sie ist Direktorin des Lehrstuhls für Marketing und Markenmanagement an der Universität zu Köln. 2007 trat sie den Ruf an die Universität zu Köln als damals jüngste habilitierte Wirtschaftsprofessorin Deutschlands an, 2009 wurde sie im BWL-Forschungsranking des Handelsblatts unter den Top 25 Wirtschaftsprofessoren im deutschsprachigen Raum gelistet.

Die Relevanz von Marken ist eines der aktuellen Forschungsthemen der Wissenschaftlerin. „Nur wenn in einer Produktkategorie Marken für die Kaufentscheidung wichtig sind, sollte die Unternehmensführung auch in ihren Aufbau investieren“, sagt sie. Marken begegnen dem Kunden zwar überall, doch warum wählen wir als Kunden ein Markenprodukt? Und welche Bedeutung sollte ein Unternehmen dem Auf- und Ausbau einer Marke beimessen? Eine Studie von Franziska Völcker gibt Aufschluss über die Relevanz von Marken als Kaufentscheidungskriterium (im Vergleich zu anderen Kriterien wie z.B. dem Preis). Der dazu entwickelte „BRiC“-Indikator bildet sowohl Produktkategorie- als auch Länderunterschiede ab. „BRiC“ steht für „Brand Relevance in Category“.

Im Fokus stehen dabei nicht einzelne Marken sondern Produktkategorien, wie etwa Taschentücher, Autos oder Zigaretten. Nicht die Frage, welche konkrete Marke Kunden wählen würden, sondern ob das Gütesiegel „Markenprodukt“ selbst für die Kaufentscheidung wichtig ist, war Ausgangspunkt der Studie. Aus zwei Hauptgründen, so die Annahme, würden Kunden Markenprodukte vorziehen: Um Qualitätsrisiken zu vermeiden und um sich selbst auf eine bestimmte Art darzustellen. Gut 5.700 Konsumenten wurden dazu in 20 Produktkategorien befragt, wie wichtig ihnen die Marke bei der Entscheidung für ein bestimmtes Produkt ist. Um Vergleiche zu ermöglichen, wurden die Produktkategorien in Großbritannien, Frankreich, Japan, Spanien und den USA betrachtet.

Im Ergebnis gleicht sich das Bild über die Länder hinweg. „Besonders überrascht die hohe Stabilität am oberen Ende der Skala bei der Wichtigkeit von Marken. Für die Kategorien ‚Mittelklasse-Wagen’ und ‚Zigaretten’ ist die Bedeutung der Marke in allen Ländern sehr hoch“, sagt Völckner. Schlusslicht im Ranking sind hingegen Taschentücher: Reißfestigkeit, Fusselfaktor und Nasenfreundlichkeit – all das wurde chancenlos beworben: Dem Kunden ist die Marke des Taschentuchs verhältnismäßig egal.

Und doch gibt es Unterschiede: Im Mittelfeld der Markenrelevanz gehen die Meinungen in den Ländern weit auseinander, zum Beispiel bei Kopfschmerztabletten. „Auffällig war auch, dass wir für die USA über die Kategorien hinweg eine tendenziell höhere Bedeutung von Marken feststellen konnten“, beschreibt Franziska Völckner das Ergebnis. „Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass das Marketing selbst und damit die Markenkultur aus den USA stammen.“



Auch der Name ist ein zentrales Element der Markenführung

Die Studie führte die Kölner Marketingexpertin in Zusammenarbeit mit einem Beratungsunternehmen durch, ihre Ergebnisse sind in hohem Maße für die Praxis interessant: „Dass in den Ländern Unterschiede bestehen, könnte Auswirkungen darauf haben, wie ein Unternehmen sein Budget für Markenführung auf verschiedene Länder verteilt“, so Völckner. Gleichzeitig könne auch das Budget für die Markenführung innerhalb eines Landes neu gestaltet werden – denkbar sei eine andere Schwerpunktsetzung in der Produktpalette. Die Studie hat zudem Implikationen für die Bewertung von Marken, denn die Wichtigkeit der Marke als Kaufentscheidungskriterium trägt entscheidend zum finanziellen Wert einer Marke bei. Die Erngebnisse aus dieser ersten Forschungssäule Völckners verbessern die Chancen für Unternehmen, auf dem Markt geschickt zu manövrieren. Auch eine zweite Säule – die Markennamensgebung – zeigt, wie sich Risiken auf dem Markt besser einschätzen lassen. Für Entscheider gilt es nämlich zu bedenken: Vorausgesetzt, das Gütesiegel der Marke ist dem Kunden wichtig, welchen Namen sollte sie tragen?

Völckner beschreibt den Namen als zentrales Element der Markenführung. Damit das konkrete Produkt gekauft werde, brauche es aus der Sicht des Markenmanagements einen prägnanten Namen, der leicht aussprechbar ist. Vor allem sollte er zum Produktnutzen passen.
Soll dann die Marke in einem anderen Land etabliert werden, besteht durchaus das Risiko, dass der Name eine ganz andere, manchmal peinliche Bedeutung erfährt, wie im Fall von Fiat Uno: „uuno“ bedeutet auf Finnisch „Trottel“. „Die Grundregel bei der Markennamensgebung lautet, dass unbedingt Muttersprachler beteiligt sein sollten“, erzählt Völcker. „Leider wird diese Regel häufig missachtet.“



Foreign Branding: positive Assoziationen mit fremden Ländern verstärken den Kaufanreiz

Der Alltag führte die Wissenschaftlerin zu ihrer aktuellen Forschungsfrage. Sie beobachtete, dass Unternehmen Markennamen gezielt fremdartig klingen lassen: Wie etwa Bier-Tequila-Mixe, die nach Mexiko klingen und doch französisch sind oder eine nicht ganz günstige US-Eiscreme, deren Name ein bisschen an Länder wie Dänemark und die Niederlande erinnert – „Milchprodukt mit Qualität von Kennern“, so die gewünschte Assoziation. Beim sogenannten „Foreign Branding“ sollen mit einem ausländischen Namen beim Kunden positive Assoziationen mit dem entsprechenden Land geweckt werden. Franziska Völckner hat nach Gesetzmäßigkeiten geforscht und liefert Ansatzpunkte für ein Management, das sich für diese Art der Namensgebung entscheidet: „Ein wichtiger Einflussfaktor ist die Produktart, also ob es sich um ein eher hedonisches oder ein eher nützliches Produkt handelt – der Name sollte zu der Produktart passen.“, sagt sie. Wer ein hedonisches Produkt, also ein Lifestyle-Produkt wie etwa eine teure Uhr, auf den Markt bringen möchte, ist gut beraten, ihm z.B. einen französisch klingenden Namen zu geben. In der Studie wurde die fiktive Uhren-Marke Croixbergière vorgestellt, mit der die Probanden französisches „savoir vivre“, Genuss und Lebensfreude verbanden. In der Realität hätte dieser Name die Kaufwahrscheinlichkeit erhöht. Anders sieht es aus, wenn die fiktive Marke den deutschen Namen „Kreuzberger“ trägt: Hier waren die Probanden zögerlicher.

Völckner erklärt: „Der französische Name sorgt dafür, dass die lustbetonten Eigenschaften des Produkts unterstrichen und verstärkt wahrgenommen werden. So scheint der Kauf gerechtfertigter.“ Bei utilitaristischen Produkten wiederum kann der deutsche Name punkten. Wird eine Sportuhr angeboten, so ist sie unter dem Markennamen „Kreuzberger“ beliebter, denn der Kunde assoziiert über den sprachlichen Umweg Funktionalität und verlässliche Qualität – Eigenschaften, die er von einem nützlichen Produkt erwartet. „Mit diesem Wissen lässt sich das nicht ganz einfache ‚Foreign Branding‘ leichter umsetzten. Unserer Studie hat jedoch auch ergeben, dass es für Unternehmen problematisch wird, wenn die Informationen über das tatsächliche Herkunftsland aus Kundensicht nicht zum Namen passen“, so Völckner. Wenn etwa ein Produkt mit französischem Namen aus einem Schwellenland komme, reduziere sich sofort die Kaufwahrscheinlichkeit, denn der Kunde spüre die Unstimmigkeit. In der Lifestyle-Sparte sei dieser Effekt noch stärker zu beobachten, weil innere Überzeugung und Rechtfertigung zum Kauf hier noch wichtiger seien. Besser ist es, in diesem Fall auf das „Foreign Branding“ für solche hedonischen Produkte zu verzichten.



Markenmanagement als Investition

Mit Forschungsergebnissen wie diesen trägt Franziska Völckner dazu bei, die „unsichtbare Hand“ des Marktes sichtbarer zu machen. Ziel ist es, die Ergebnisse im Markenmanagement zu nutzen. Doch welchen Beitrag leisten solche Analysen in wirtschaftlichen Krisen? „Gerade wenn das Budget knapp ist, stellen die Ergebnisse wertvolle Entscheidungshilfen dar. Die Studien befassen sich mit Erfolgsfaktoren von Markenstrategien, decken die „Erfolgstreiber“ auf. Unternehmen können mit den Ergebnissen im Idealfall gezielt planen, wie sie ihr Budget verteilen und Risiken vermeiden.“ Eine Entscheidung für den Taschentuch-Hersteller könnte zum Beispiel lauten, seine Markeninvestitionen auf die USA zu konzentrieren, wo es den Kunden noch am wichtigsten ist, ob er ein Marken-Taschentuch kauft. Ein wichtiger Aspekt der Arbeit von Franziska Völckner ist der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis, eines der grundsätzlichen Ziele des an ihrem Lehrstuhl angesiedelten Wissenschaftlichen Zentrums für Markenmanagement und Marketing e. V. Völckners Themen selbst ents gehen mit offenen Augen. Schließlich sind die Studien für die Rolle des Marketings selbst wichtig. Gerade in Krisenzeiten stehen Marketingabteilungen verstärkt unter Druck, Entscheidungen ökonomisch zu rechtfertigen. Vorschläge und Ergebnisse müssen berechenbar sein. „Meine Forschung soll das Marketing auf breiter Datenbasis messbar machen. So lässt sich mit anderen Abteilungen auf einer Ebene diskutieren.“ Völckner erbringt nicht nur  den Nachweis dafür, dass das Marketing ökonomische Auswirkungen hat, sondern eröffnet mit den Studien auch Handlungsempfehlungen. „Wenn das Marketing als Lieferant für leere Schlagworte gilt und als überflüssig abgetan wird, ist das durchaus eine Gefahr. Gerade das Markenmanagement muss immer als Investition verstanden werden“, so Völckner.